Die Bezugsteuer - Das unbekannte Wesen

Die „BrightTech AG“ wurde vor drei Jahren in Zürich gegründet. Wie viele junge Unternehmen hat sie sich auf ihr Produkt konzentriert – die Entwicklung einer innovativen Softwarelösung. Für Designleistungen, Softwareentwicklung und Marketingkampagnen beauftragte das Team verschiedene Dienstleister in Deutschland, Polen und den USA. In Summe flossen über 1 Mio. CHF ins Ausland.

Ein Steuerexperte wurde aus Kostengründen bei der Gründung nicht beigezogen. Die Bezugsteuer blieb unbemerkt – bis im Rahmen einer Finanzierungsrunde eine Due Diligence durchgeführt wurde. Plötzlich stand ein Risiko im Raum: Mehrwertsteuer-Nachforderungen in sechsstelliger Höhe, die nicht zurückgefordert werden konnten. Für die Investoren ein Warnsignal, für das Start-up ein unnötiger finanzieller und reputativer Schaden.

Was ist die Bezugsteuer?

Die Bezugsteuer ist Teil der Schweizer Mehrwertsteuer. Sie betrifft Dienstleistungen aus dem Ausland, die ein Schweizer Unternehmen bezieht. Statt dass der ausländische Anbieter schweizerische MWST erhebt, muss das Schweizer Unternehmen die Steuer selbst abrechnen (sog. Reverse Charge).
Die Pflicht greift, wenn ein Unternehmen jährlich mehr als 10’000 CHF solcher Dienstleistungen aus dem Ausland bezieht – eine Schwelle, die in der Praxis von Start-ups mit Cloud-Services, IT-Outsourcing oder Marketing sehr schnell überschritten wird.

Warum wird die Bezugsteuer oft übersehen?

  • Gründer fokussieren auf Produkt und Finanzierung, nicht auf Detailfragen des Steuerrechts.

  • Buchhalter und Treuhänder ohne internationale Mandate unterschätzen die Relevanz.

  • Der Trend zu internationalen Dienstleistern (SaaS, Design, Online-Marketing, Entwicklungsteams) macht die Bezugsteuer heute praktisch für jedes Start-up zum Thema.

Das eigentliche Risiko

Für Unternehmen, die der MWST unterstellt sind, ist die Bezugsteuer unproblematisch: Sie wird deklariert und gleichzeitig wieder als Vorsteuer abgezogen. Problematisch ist die Situation bei Start-ups, die:

  • noch keine oder nur geringe Umsätze in der Schweiz erzielen,

  • sich nicht freiwillig der MWST unterstellt haben,

  • aber bereits substanzielle Ausgaben im Ausland tätigen.

In solchen Fällen wird die Bezugsteuer zu einer definitiven Kostenposition – mit teils massiven Beträgen.

Praktische Empfehlungen für Gründer

  • Frühzeitig prüfen, ob eine freiwillige MWST-Registrierung vorteilhaft ist.

  • Bezugsteuer in der Budget- und Liquiditätsplanung berücksichtigen.

  • Einen erfahrenen Steuerberater beiziehen, insbesondere bei internationalen Geschäftsmodellen.

  • Belege und Rechnungen für ausländische Dienstleistungen sorgfältig dokumentieren.

Fazit

Die Bezugsteuer ist längst kein exotisches Detail mehr, sondern ein zentrales Thema für international arbeitende Start-ups. Wer sie ignoriert, riskiert erhebliche Kosten und unangenehme Überraschungen bei Investoren. Wer sie dagegen von Anfang an in die Planung einbezieht, schützt Liquidität und Glaubwürdigkeit – und schafft die Basis für nachhaltiges Wachstum.